Sind wir schief gewickelt?

Was das Gänschen nicht lernt ...

praegung


Das Phänomen der frühkindlichen Prägung hatte K. Lorenz in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erkannt und damit eine senationelle Öffentlichkeitswirkung erzielt: Was ein soeben geschlüpftes Graugans-Küken als Erstes sieht - idR seine Gänsemutter, einen unmittelbar in seinem Gesichtsfeld befindlichen Menschen oder einen markant bunten Ball - gilt fortan als Mutter-, Leittier, dem es auf Schritt und Tritt folgen muss, damit es ihm wohl ergehe. An Land oder im Teich kann das einigermaßen erfolgreich sein. Doch beim Fliegen oder generell beim Prägungsobjekt Ball führt diese Art Prägung in die Irre, zum völligen Misserfolg. Haben wir daraus gelernt?

 Für ein orientierungsloses, nicht oder noch nicht zum eigenen Denken fähiges oder angeleitetes Wesen ist diese naürliche Prägung eine überlebenswichtige Hilfe, aber auch - bei Missbrauch oder Irrtum - eine große Gefahr. Der Volksmund weiß von diesem Prinzip der frühkindlichen Prägung, wenn er sagt: "Was das Hänschen nicht lernt, lernt der Hans nimmermehr!" oder im Umkehrschluss: "Was das Hänschen lernt, verlernt der Hans nimmermehr!". In die gleiche Richtung weist die mundartliche Einschätzung, dass jemand als Säugling "schief gewickelt worden ist", wenn seine spätere Entwicklung zu missraten droht. Diese Tatsache der Prägung kann also für viele Belange in unserem Leben wichtig und hilfreich sein, aber uns auch in die Irre führen und nicht nur einzelne Individuen, sondern ganze Gesellschaften und Kulturkreise gleichsam am Gängelband halten, ihre Freiheit verhindern, ihr Scheitern vorprogrammieren.Hinzu kommt, dass wir uns an den Prägungsvorgang nicht mehr erinnern können. Je früher diese Festlegungen in uns gesät oder gepflanzt worden sind, desto unbewusster sind sie uns "in Fleisch und Blut" übergegangen. Nur mit nach und nach einsetzender Bewusstwerdung und einer gehörigen Portion Mut und gegebenen Anlässen kann es gelingen, diese Prägungen als solche auszugraben, zu erkennen, zu überprüfen und sie zu akzeptieren oder zu verwerfen und mühsam abzuarbeiten.

 Ja, es gehört Mut dazu, die Hemmungen, die Beißhemmungen zu überwinden, wenn es darum geht, altüberkommenene, oft doch allgemein im Soziaverband übliche Denkschemata oder Verhaltensweisen, Entscheidungen nach eigenem Gut-dünken abzulegen, sich von ihnen zu befreien! Denn irrige, bösartige Prägungen haben gegen solche vorhersehbaren Regungen des Zweifels und Widerspruchs Sicherungen eingebaut: drohende schmerzhafte Widerhaken, die einen schwachen Mut wieder ent-mutigen, Angst vor Ausgrenzung, Karriere-Hindernissen, Gottesstrafen wie Fegefeuer oder Hölle wachrufen. Der Entmutigte wird früher oder später feststellen, dass all die befürchteten Strafen niemals von einem uns eingeprägten Gott, sondern immer von Menschen verhängt werden, die von den Prägungen profitieren, ihnen ihre Freiheit, ihre Macht, ihren Reichtum sichern sollen.

 Jede Anhäufung von Macht, Reichtum und Freiheit über ein gesellschaftlich gesundes Maß, gelingt nur mittels Wegnahme von Macht, Reichtum und Freiheit bei Anderen: "Untergebenen", "Abhängigen", "Untertanen", "Bürgern".

 Freiheit findet immer dann ihre Grenze, wenn sie die Freiheit anderer beschneidet. Analog finden Macht und Reichtum dann ihre Grenzen, wenn sie durch Recht-, Machtentzug oder Diebstahl zustande kommen.Weder die Graugans noch irgendein anderes Lebewesen dieser Welt kann sich an seinen Artgenossen beliebig bereichern und vergreifen. Der selbstsüchtige Missbrauch des Prägeprinzips macht dies aber dem Menschen möglich - bis heute! Alle aus den Fugen geratenen Balancen unserer Gesellschaften verdanken sich der Verweigerung dieses natürlichen Grundgesetzes und natrlich der "ausbleibenden Hilfe Gottes" für all die Meineidigen, die ihre Pflichten und Versprechen so gerne mit dem Floskel-Schwur beschließen: "So wahr mir Gott helfe." Das kostet sie nichts, aber die Betrogenen mitunter alles.

 Wenn Menschen von Kindheit an mit strengen und strengsten Maßregeln getrietzt werden, haben sie die Chance, zu braven, der Obrigkeit (Chefs, Polizei, Volksvertretern, Klerikern) gehorchenden Bürgern zu werden. Da diese Maßregeln aber den Interessen besonders der Obrigkeit dienen und eine Missachtung natürlicher und menschlicher Grundrechte darstellen, sind diese Menschen, wir alle, schon schief gewickelt. Wenn dann aber auch noch die Lehr- und Zuchtmeister alle diese Regeln brechen, sie für ihre Belange ins krasse Gegenteil verkehren, dann sind die schief gewickelten Menschen nicht mehr zu retten, sind allen denkbaren und undenkbaren physischen (extrem: Krieg) und psychischen Katastrophen (TPS) ausgeliefert, sind Sklaven und Opfer ihrer Bravheit.

 Alle Katastrophen, die uns in unserer Menschheitsgeschichte neben gelegentlichen Naturkatastrophen heimgesucht haben, sind durch diese immer wiederkehrenden Verstöße gegen die aufgezeigten Regeln von Seiten dummer und dümmster Volksvertreter verursacht, die der Diäten- und Macht-Droge verfallen. Alle Gebote, Gesetze und Regeln lassen sich durch die so genannte "Goldene Regel" ersetzen: "Was du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem andern zu!"

 Folgen wir weiter den frühkindlichen Prägungen, die wir idR nicht hinterfragt haben, die uns naturgegeben oder gottgegeben erscheinen, dann ist das Befolgen, das Glauben und Akzeptieren aller obrigkeitlichen Anforderungen selbstverständlich: So wurden wir alle erzogen. Es spielt keine Rolle, ob die angeforderten Abgaben oder Verhaltensweisen von der Politik selbst oder ihren Hilfsdiensten (Rundfunk, TV, Presse) verkündet werden.
Alternativen zu nicht selten kriminellen, kirchenchristlich = unchristlich vorgegebenen Prägungen unserer Gesellschaft werden in einem weiteren Aufsatz aufgezeigt:

"Entwickeln statt wickeln !"

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