Wir Hedonisten

Lust und Freude vs Gier und Qual


Epikur



Ἡ ἡδονή - Hä hädonä: Die Freude, Lust, besonders sinnlich angenehme Empfindung, das Vergnügen;
[Pape: Griechisch-Deutsch - http://www.digitale-bibliothek.de]

Es ist also nicht die neuzeitlich-vulgäre, eher abfällige Bedeutung iS von hemmungsloser Befriedigung sinnlicher Begierden gemeint, sondern ganz im Sinne Epikurs (341-271) ein sozial und gesundheitlich ausgewogenes Wohlleben. Hedonismus als die lebenslange Suche nach Wohlergehen, d.h. nach Freude, Gesundheit, Gerechtigkeit und Sicherheit, nach Fitness, ja, nach Glück!

Alle Lebewesen unserer Welt sind mit dem lebenslangen Drang zum Wohlleben ausgestattet, sind Hedonisten. Dieser Drang dient schließlich ua dem Arterhalt. Das Wohlleben obiger Definition ist der wichtigste Faktor der Evolutionsbiologie: Erst die richtige Schnabelform und -größe begünstigt etwa bei Vögeln die erleichterte spezielle Nahrungsbeschaffung, die Selbstverteidigung und so das individuelle Überleben, die Fitness, Wellness, Arterhaltung - das Wohlleben. Der Drang nach Wohlsein kann als der entscheidende evolutionäre Antrieb für alle Weiter- und Höherentwicklungen von den ersten Einzellern bis zu uns Primaten verstanden werden. In diesem Sinne ist die Evolution ein Anpassungsprozess hin zur optimierten Lebenstauglichkeit, Überlebenstauglichkeit, die nur mit einem Optimum (!) an Lebensfreude erreicht sein kann.

Ohne Umschreibung und ohne Umschweife formuliert: Der Hunger, das Bedürfnis, unseren Lebensmotor in Gang zu halten, ist der Trieb der Triebe. Noch vor dem Sexualtrieb muss er befriedigt und seine Befriedigung durch evolutionäre Anpassung immer besser gesichert werden. Erst dann machen Sex und Kultur, Spiel und Kreativität Sinn und Freude. Nebenbei gesagt, ist die menschliche Spezies von der Evolution reich mit Genie und Geschicklichkeit begabt, jeglichen Hunger zu stillen, aber in hohem Maße unfähig, das Abgleiten des Hungers in mörderische, letztlich selbstmörderische Gier und Perversion zu verhindern. Wohin führt ein solcher, perverser Hunger: Alle mir bekannten Hochkulturen wähnten sich dazu berufen, mit den größten, prächtigsten Bauwerken zu protzen, das meiste Vermögen zu horten, die brutalsten Kriege anzuzetteln, um - ja, wozu? - um noch mehr zu haben, haben, haben. Und um alle Konkurrenten ihrer Macht (Partner, Kollegen, Volk) mit allen Mitteln daran zu hindern, ihrem faulen Status quo nahe zu kommen.

Selbst und gerade die Kirchen, denen man von altersher völlig unberechtigt eine höhere geistige oder gar "geistliche" Einsicht zugetraut hat, vergöttern das Haben und verachten, verfolgen und morden das Sein, die Träger des Seins. Welche riesigen Dome und Kathedralen, welcher Immobilienbesitz, welche Goldschätze und mit Steuervermeidung angehäuften Anlagewerte, welcher Popanz und Mummenschanz: Seht her, all ihr dummen Schafe, wir haben! Doch was sind sie? Ein stinkender Dreckhaufen, ein mafiös-krimineller Verein, ein Gebirge von Leichenteilen, ein großmäuliger, nimmersatter Schmarotzer. Willkommenes "Vorbild" und "Alibi", Verführer für alle Möchtegern-Machthaber. Soviel zum Hunger und zum Stillstand der Kultur, der geistigen Evolution.

Schon die Einzeller wurden mit stärkerer Vermehrung und häufigeren epigenetischen und mutagenen Veränderungsmöglichkeiten begünstigt, wenn sie im optimalen Umfeld lebten, länger lebten. Höher entwickelte Lebewesen vermochten es, zusätzlich die Umweltbedingungen selbst zu modifizieren. Der moderne, angeblich sapiente Mensch hat diese Fähigkeit auf die Spitze getrieben, entfesselt, dereguliert und inkriminiert, wie die folgenden Zeilen verdeutlichen.

Der Mensch ist das erste und wohl auch letzte Lebewesen der Evolution, das aus der hedonistisch-evolutionären Anpassungsfähigkeit heraus den Vorgang der globalen Verelendung und Zerstörung geschaffen hat. Denn neben der biologischen gibt es die gesellschaftliche Evolution, die von der Bevölkerung getragen wird und der wir die entscheidenden Verbesserungen im Zusammenleben der Menschen verdanken: Menschenrechte, allgemeine Schulpflicht, Demokratie mit einem ganzen Katalog der Freizügigkeiten wie Weltanschauungsfreiheit, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit ... Wir wissen, wer und welche Institutionen sich all diesen Entwicklungen heftig entgegen gestemmt haben und sie heute noch hintertreiben: Kirche und momentan waltende Machthaber. Wir wissen, dass die gleichen Kräfte aus purer Eigensucht im Bremserhäuschen dieser Evolution sitzen. Die genannten Errungenschaften werden in unserem Land tagtäglich von diesen Kulturbremsern missachtet, beschädigt, außer Kraft gesetzt. Sie halten sich für Leistungsträger, sind aber summa summarum faule Schmarotzer unserer Gesellschaft und bereit, ihren Wirtsorganismus, eben diese Gesellschaft auf dem Altar ihrer verfressenen Ideologie zu opfern.

Was ist schiefgelaufen bei uns Menschen, den ersten zu "Freiheit" (und Schrankenlosigkeit!) befähigten Primaten? Was hat den Menschen schon so oft als Fehlentwicklung, als Beispiel willkürlich verschuldeter Unfreiheit abgestempelt? Warum sind Despotie und Sklaverei bis heute Bestandteil oder gar Grundlage aller heute existierender regierter Gesellschaften? Ist der Mensch unfähig, frei zu sein oder wird vielmehr der Schritt jedes einzelnen Menschen hin zum frei denkenden und entscheidenden Erwachsenen von patronomen Strukturen, von der staatlich-religiösen Obrigkeitshörigkeit, dem auch in hochentwickelten Zivilisationen vorherrschenden infantilen Gehorsamsglauben verhindert? Die Frage ist überflüssig: Freigeister befinden sich auch heute noch in unserer "modernen" Gesellschaft zu oft in der Gegnerschaft mit den angedeuteten Obrigkeiten, oft natürlich auch in Gegnerschaft mit dem sozialen Umfeld, das argwöhnisch und missgünstig darauf achtet, dass kein Schaf die Hürden überspringt. Immer wieder nutzen Mächtige das "Divide et impera!", um ihre Haut zu retten. Sind die zum Wohle der ihnen anvertrauten Menschen geweihten oder gewählten Machthaber doch mehrheitlich asoziale Gierhälse? Offenbar!

Warum sind die gesellschaftsfreundlichen Aktivitäten den sozialschädlichen oft deutlich unterlegen? Warum befinden sich die einen im Status erbarmungswürdiger Hilfs- und Schutzbedürftigkeit, die anderen dagegen in der komfortablen Lage der Unkontrolliertheit, Bevorrechtung, ja sogar in der Gunst zugebilligter Fahrlässigkeitund und Strafbefreiung füe Schwerstverbrechen, die früher mit der Todesstrafe geahndet wurden? Kurz: Warum werden Leistungsdefizite einerseits mit herablassend gewährter Grundsicherung quittiert, andererseits aber mit der Erlaubnis zur schranken- und hochgradig leistungsdefizitären(!) Anhäufung materiellen Privatbesitzes belohnt? Denn dass der überbordende Reichtum in der überwiegenden Mehrzahl nicht leistungsgerecht, sondern nur systembedingt ist, steht außer Frage. Und die entscheidenden Gelegenheiten zur Bereicherung liegen in einem politischen System begründet, das vorgibt, demokratisch-freiheitlich-rechtsstaatlich zu sein und nicht zugibt, dass eine > 99-%ige Mehrheit der Gesellschaft von soziopathischen TPS-Minderheiten an den Nasenringen durch die Zirkusmanege der "Demokratie" geführt wird (R. Mausfeld).

Warum also divergieren soziale Gemeinschaften - wenn es um Geld geht, das pauschale Mittel, Hunger jeder Art zu stillen? Warum hört Freundschaft auf, wenn es um Geld geht? Warum fiebern die Menschen nach Reichtum und glauben dem Vorbild der Reichen nacheifern zu müssen und verdrängen - der eigenen Geldgier verhaftet - die wahren Ursachen der krassen Divergenz zwischen Reich und Arm? Und nicht zuletzt: Warum bedienen sich in aller Welt und von altersher die genannten Minderheiten der Beihilfe auch religiöser Institutionen, während die "restlichen" 99% den Religioten gefälligst gläubig zu dienen haben?!

In gewisser Weise lässt sich Geld mit dem erwähnten Schnabel vergleichen. Nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass Geld gleichsam einen exkorporierten Schnabel, ein Allzweck-Instrument darstellt, nicht allein zum (art-)gerechten Wohlleben, also zum Stillen des Hungers und des Dursts, zum Überleben im Daseinskampf und zur Ermöglichung von Fit- und Wellness eingesetzt werden kann. Es kann und wird zur stets unerfüllt bleibenden Befriedigung grenzenlos übersteigerter Hungergefühle missbraucht, dient grenzenloser Gefräßigkeit. Die vom ungerechtfertigten Reichtum "Begünstigten" sind sucht- und phobiekrank. Sie sind Muster-Beispiele der Seewasser-Metapher Schopenhauers. Die Phobie vor Verlust und Armut treibt zudem eine Sucht zur Bereicherung an, die im Widerspruch zu jeder sozialen Vernunft und Ethik steht und die mangels politischer Kontrolle ausgelebt werden kann. Diese Suchterkrankung nur kann erklären, wie durchaus scheinbar vernünftige und tüchtige "Erwachsene" sich Einkünfte verschaffen, die selbst zu einer hypothetisch übermenschlichen Leistungsfähigkeit in einem irren, kranken Verhältnis stehen, weil sie zu großen Teilen leistungslos und damit ergaunert, gestohlen sind.

Wenn auch das "Kamel" im geläufigen Bibelspruch ein Übersetzungsfehler ist: Es bleibt dabei, dass eher ein Schiffstau durch ein Nadelöhr passt, bevor ein Reicher zu Vernunft und Anstand findet. Es muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass die Gruppen, die angeblich angetreten sind, uns Menschen Anstand, "Moral", Nächstenliebe, also sozialverträgliches Verhalten nahezubringen und beispielhaft vorzuleben, diesen Auftrag in krimineller Weise und kriminellem Umfang verraten haben und seit 2000 Jahren selbst zu den Raffgierigsten und Machtbesessensten gehören und alles daransetzen, die Bedingungen hierfür zu erhalten. Sie bremsen! Wozu benötigen wir solche Vereine, die sich nicht einmal selbst tragen, sondern von uns alimentiert werden wollen? Die 2000-jährige Schulung durch diese selbsternannte "moralische Instanz" (WAZ uva)hat weltweit direkt und indirekt eine Prägung und Lebensweise begünstigt, die nun allmählich und eher gemächlich als Einbahnstraße zum globalen Kollaps erkannt wird. Diese privilegiert irrlehrende Instanz trägt die entscheidende Mitverantwortung für diese Entwicklung. Aufklärer, Atheisten, Humanisten, Umweltbewegte dagegen werden von Religions-Vermarktern und nachplappernden Politikern und Journalisten immer noch angefeindet, diffamiert oder zumindest belächelt! Dabei ist es dringend geraten, die Evolutionshemmung der Gesellschaften durch diese gefräßige Minderheit mit allen legislativen, judikativen und exekutiven Mitteln zu bekämpfen. Das konservative 'Weiter so' konserviert Privilegien und treibt uns alle in den globalen Zusammenbruch, in die Verarmung, Verödung, Verrohung, gegenseitige Ermordung.

Die Soziologen und Historiker können beweisen, dass all die Gesellschaften, die vor uns als Nieder- oder Hochkulturen zugrunde gegangen sind, ihren Untergang dem Versagen ihrer installierten Eliten zuschreiben mussten. Eliten, die mit religions-verbrämter Despotie, angemaßter Unfehlbarkeit und unstillbarer Hab- und Machtsucht mithilfe legalisierter (!) Missachtung von Gesetz, Anstand und Ethik die nicht mehr wegzuleugnenden Menetekel und Kassandrarufe verdrängt, umgedeutet und zerredet haben. Heute sind scheinheilige Lippenbekenntnisse zu Besserung und Verbesserung modern. Jedenfalls werden die Warnzeichen nicht oder nur halbherzig in einsichtige Lenkung umgesetzt. Die Lenkungen müssten nicht korrumpiertes Gesetz werden, ohne Vorzugsbehandlung oder verklausulierte Schlupflöcher. Die lediglich experimentelle evolutionär-ermöglichte Freiheit des Menschen verlangt eine Steuerung ihrer selbst! Aber sonderbarerweise ist doch eine derartige, strafbewehrte Steuerung schon Alltag - für die Masse der 99%!

Der grassierende individuelle, nationale und internationale Konkurrenzkampf um den meisten Profit, um die raffiniertesten Tricks, um die vorgeblich "leistungsorientierte" Geringachtung der Armen, um den höchsten Lebensstandard, das billigste Schnäppchen und ein ewiges Wachstum durch Schmarotzertum ist hochgradig soziopathisch, schizophren und suizidal und ist eine mit dem Fortbestand der Menschenwelt, der Gesellschaften unvereinbare Erkrankung und muss ersetzt werden durch einen globalisierten Konkurrenzkampf um den größten Fortschritt beim weltverträglichen Wohlleben, mit Fit- und Wellness, mit einer Stärkung unserer Gesundheit, die bekanntlich zu 80% durch Umweltgifte, Essens- und Lebensweisen sowie auch durch hochgradig schädliche "Medikamente" zur Krankheit tendiert.

Wir und mit uns alle Lebewesen drängen nach Wohl- und Überleben, alles Leben hat ein Naturrecht darauf. Jedes nicht not-wendige Aussetzen dieses Grundrechts allen Lebens durch uns Menschen schmälert auch unseren eigenen Rechtsanspruch. Wir erleben es mehr und mehr.

Dem Verfasser dieser Zeilen ist bewusst, dass seine Vorstellungen all denen naiv und blauäugig erscheinen müssen, die sich im chronischen Alltags-Disstress befinden und nur noch eines wahrnehmen können: Das Weiter so!

Der Mensch ist das erste, das einzige schuldfähige Lebewesen. Er häuft hemmungslos Schuld an.

Mai 2012

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